"Wir wurzeln alle im Alltage.
Seine Gewohnheiten machen für die
meisten schlechthin das Leben aus.
In diesem Alltag, den bloss der unbesonnene
Élegant des Geistes bespöttelt, liegt etwas
sehr Grosses ... liegt unsere Cultur."
Michael Haberlandt: Cultur im Alltag. Wien 1900.



Mittwoch, 6. März 2013

ANSICHTSSACHE NR. 14: "Einer von denen" - Christian Stadelmann über eines seiner Lieblingsexponate in der Ausstellung "Roboter. Maschine und Mensch?"


Der MM6 in der Ausstellung des Technischen Museums.
Auf dem kleinen Teppich stand er seit Jahrzehnten in der
Wohnung seines Erbauers.
Foto: APA/Thomas Preiss


Im Technischen Museum Wien ist noch bis 14. Juli 2013 die Ausstellung "Roboter. Maschine und Mensch?" zu sehen. 

Christian Stadelmann, gemeinsam mit Bodo-Michael Baumunk Kurator der Ausstellung, stellt hier eines seiner Lieblingsexponate vor. Es handelt sich um den „Maschinenmenschen“ Numero 6 aus dem Jahr 1958. Erbaut wurde er von dem Wiener Kybernetiker Claus Scholz-Nauendorff in dessen Privatwohnung. Christian Stadelmann umreißt die Bedeutung dieses Roboters folgendermaßen: 
„Das ehrgeizige Ziel, das Scholz-Nauendorff verfolgte, war es, sogenannte künstliche Intelligenz in Gestalt humanoider Roboter zu schaffen. Die Ergebnisse dieser Arbeit muten aus heutiger Sicht bizarr an, allzu simpel erscheinen die technischen Lösungen angesichts des Anspruchs, ein dienstbares Wesen zu schaffen. Aber die Öffentlichkeit zeigte vor allem an den Nachfolgemodellen MM7 und MM8 großes Interesse. Scholz Nauendorff präsentierte seine ‚Geschöpfe’ mit ernstem Stolz im Fernsehen und in Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln. Dauerhafter Erfolg war diesen Forschungsaktivitäten nicht beschieden. MM7 kam ins Technische Museum Wien, MM8 ins Wiener Bezirksmuseum Landstraße. Sie haben dort einen eher skurrilen Status erlangt. MM6 ist überhaupt in Vergessenheit geraten.“
Und wie kam nun dieser MM6 in die Ausstellung des Technischen Museums? Das ist eine jener spannenden Geschichten, wie sie Ausstellungsmacher/innen auf der Suche nach interessanten Exponaten gerne erleben. Im Zuge der Recherchen zum Begleitmaterial zu den „Maschinenmenschen“ konnte Christian Stadelmann die Witwe des 1992 verstorbenen Kybernetikers, Friedericke Scholz-Nauendorff, ausfindig machen. Während eines Gesprächs über die „Maschinenmenschen“ ihres Mannes erwähnte sie dem Kurator gegenüber en passant, dass „einer von denen“ ja noch „hier herumsteht“. Für Christian Stadelmann war das ein ebenso aufregender wie berührender Augenblick: 
„Auf meine unsichere Frage hin, was sie denn meine, führte mich die beim Gespräch anwesende Pflegerin von Frau Scholz-Nauendorff in einen Vorraum zur Küche, wo tatsächlich in einem Erker der mannshohe, über 50 Jahre alte Roboter stand. Wegen mechanischen Problemen hatte Scholz-Nauendorff seinerzeit die Entwicklung daran eingestellt und mit der Herstellung des Nachfolgemodells begonnen. Über meinen Wunsch, den MM6 ins Museum zu holen, zeigte sich die Betreuerin sehr erfreut, denn sie fürchtete sich jedes mal, wenn sie an ihm vorbeigehen musste, wie sie gestand.“
Für Christian Stadelmann ergab sich bei dieser Gelegenheit nicht nur ganz unerwartet ein tolles Ausstellungsobjekt, sondern auch eine direkte Verknüpfung zu den vielen Hoffnungen, die in Roboter gesteckt wurden und werden – wozu auch die Vorstellung zählt, dass Roboter dereinst in der Pflege von kranken Menschen eingesetzt werden könnten. Ein Gedanke, der in diesem Moment und in Gegenwart einer Pflegerin aus Fleisch und Blut einen ähnlich unheimlichen Beigeschmack besaß wie die äußere Gestalt des MM6.



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